»Man sollte nicht zu lange an seinem Posten kleben«
Karsten Scholz ist seit 40 Jahren im Handwerk, 31 Jahre davon als Geschäftsführer. Sein 1905 gegründetes Unternehmen wird seit vier Generationen von der Familie geführt. Nun tritt erstmals ein Kandidat ohne familiäre Verbindung die Nachfolge an. Ein Gespräch über Tradition, Vermächtnis und den Wandel im Handwerk.
Herr Scholz, Sie sind 1993 in die Geschäftsleitung eingestiegen und haben von da an das Unternehmen zusammen mit Ihrem Vater geführt. Eine Konstellation, die die meisten Berufstätigen nicht erleben? Wie lief die Zusammenarbeit?
Wenn jeder seinen Bereich hat und man sich menschlich gut versteht, dann funktioniert das sehr gut. Mein Vater hat sich vor allem um den kaufmännischen Part gekümmert und ich mich um den technischen. Damals gab es noch keine Management-Ausbildung oder Ähnliches. Alles war Learning by Doing, ich konnte in die Rolle reinwachsen. Das hat sehr gut funktioniert.
Seit dem letzten Jahr führen Sie den Betrieb vollkommen allein.
Ja, das ist richtig. Da hat sich mein Vater nach einer OP komplett aus der Firma verabschiedet. Aber auch das war kein Problem. Er hatte nach seiner Beendigung als Geschäftsführer schon länger einen Beratervertrag, sodass er sich schon früher aus dem operativen Geschäft zurückgezogen hatte. Und wenn man außerdem eine gute Mannschaft im Rücken hat, ist alles noch einmal leichter.
Warum haben Sie sich für die Zusammenarbeit mit Builtech entschieden?
Ach, wissen Sie, das ist eine Entscheidung, die man sich natürlich nicht leicht macht. Ich habe drei Töchter, aber keine von ihnen hat sich für das Handwerk entschieden. Somit war eine Weitergabe innerhalb der Familie ausgeschlossen. Nach vier Generationen ist das zwar ein wenig schade, aber es nützt nichts. Ich selbst werde auch nicht jünger. Und als es dann vonseiten der Mitarbeiter schon erste Fragen bezüglich der Nachfolge gab, war mir klar, dass ich handeln musste.
Und da kam direkt Builtech in Spiel?
Nein, nicht sofort. Ich habe mit einem Makler zusammengearbeitet. Wir haben uns potenzielle Käufer-Unternehmen und deren Angebote genau angeschaut. Geld ist nicht alles. Viel wichtiger als der Kaufpreis ist, wie es mit dem Unternehmen weitergehen soll. In dem Bereich haben wir uns mit Builtech sofort verstanden. Und auch das Menschliche hat gestimmt.
»Heute kommunizieren wir im Unternehmen viel mehr auf Augenhöhe als früher. Das „Sie“ ist dem „Du“ gewichen, und das baut Distanz ab. Das finde ich unheimlich wichtig, denn so fällt es Mitarbeitern viel leichter, auch mal unangenehme Dinge anzusprechen.«
Wie fühlen Sie sich mit der Entscheidung?
Wenn man quasi in der Firma aufgewachsen ist, hat man natürlich eine tiefe, emotionale Bindung zu ihr. Aber ich habe auch gemerkt, dass der tägliche Einsatz seine Spuren hinterlässt. Schlaflose Nächte, die man als Geschäftsführer immer mal hat, stecke ich nicht mehr so gut weg wie vor 15 Jahren. Und man sollte auch nicht zu lange an seinem Posten kleben. Es gibt auch eine Generation nach mir, die noch voller Energie ist. Es ist ein bisschen wie auf der Autobahn: Auf der linken Spur Vollgas geben macht Spaß. Aber jetzt muss ich nicht mehr nur Vollgas geben, sondern darf die jüngere Generation gerne vorbeilassen. Und mit diesem Gedanken fühle ich mich auch wohl. Erst 10 Monate nach der Unterzeichnung des Vertrages mit Builtech habe ich gemerkt, wie eine Entspannung bei mir eintritt. Und mit Johannes Leister haben wir einen Spitzenmann aus den eigenen Reihen, der übernimmt. Das macht mich stolz.
Sie haben 1984 Ihre Ausbildung angefangen, schauen also auf 40 Jahre in dieser Branche zurück. Was hat sich Ihrer Meinung am meisten verändert?
Vor allem die Menschen haben sich verändert. Man merkt, dass die letzten 20, 30 Jahre ziemlich sorglos waren. Viele Kinder sind in dieser Zeit nicht nur im bewussten, sondern vor allem unbewussten Wohlstand aufgewachsen. Sprich, sie nehmen gar nicht wahr, wie gut es ihnen eigentlich geht und dass das nicht selbstverständlich ist. Im Fokus stehen daher reduzierte Arbeitszeit und am besten noch gleichzeitig höheres Gehalt. Ich verstehe diesen Wunsch ja, aber angesichts der wirtschaftlichen Lage ist das nun mal nicht realistisch. Andere Länder und Weltregionen holen auf. Schon jetzt haben Unternehmen wie VW an der erstarkenden Konkurrenz zu knabbern. Um unseren Wohlstand zu halten, müssen wir wieder mehr anpacken, nicht weniger. Ich wünsche mir sehr, dass dieses Verständnis bei den jüngeren Generationen mehr Fuß fasst. Aber das ist nicht alles.
Was noch?
Die handwerklichen Fähigkeiten nehmen auch immer mehr ab. Wir müssen bei Beginn der Ausbildung oftmals auf einem viel niedrigeren Level anfangen als früher. Das klingt zwar so, als würde ich der jüngeren Generation die Schuld geben, aber dem ist nicht so. Sie können auch nichts dafür. Es wird ihnen heute in der Schule einfach nicht mehr beigebracht. Ich weiß noch, ich hatte zu meiner Zeit noch Werken, Kochen, Nähen. Außerdem war es noch selbstverständlich, ein kaputtes Fahrrad selbst zu reparieren. Ich denke, dass diese fehlende Arbeit mit den Händen auch dazu führt, dass viele keine Karriere im Handwerk in Betracht ziehen, obwohl es eigentlich was für sie wäre. Ich denke oft darüber nach, ob es nicht besser wäre, wenn jeder zehn Jahre in die Schule gehen würde und danach eine Ausbildung macht. So wäre die Ausbildung die Grundlage für ein weiteres Studium. Und ich denke, in so einem Szenario würden sich auch mehr junge Menschen für das Handwerk entscheiden und auch dort bleiben, wenn sie es nur kennengelernt hätten.
Was hat sich Ihrer Meinung nach positiv verändert?
Da gibt es auch vieles. Die Technik zum Beispiel, die uns hilft, schwere körperliche Arbeit leichter zu bewältigen. Oder die Fahrzeuge. Wenn ich an unsere heutigen Firmentransporter denke, die hätte ich vor 35 Jahren gern privat gefahren. Auch der Arbeitsschutz – sei es im Bereich Kleidung oder beim Thema Schulung – ist viel besser als früher. Manchmal ist er zwar etwas übertrieben, aber das muss auch so sein, damit wir uns daran halten und es ernst nehmen. Auch gesellschaftlich hat sich einiges getan, vor allem im Umgang miteinander.
Was meinen Sie damit genau?
Heute kommunizieren wir im Unternehmen viel mehr auf Augenhöhe als früher. Das “Sie” ist dem „Du“ gewichen, und das baut Distanz ab. Das finde ich unheimlich wichtig, denn so fällt es Mitarbeitern viel leichter, auch mal unangenehme Dinge anzusprechen. Wir hatten zum Beispiel jemanden, dem es eine Zeit lang nicht gut ging. Wir dachten zunächst, er wäre mit der Arbeit unzufrieden, konnten aber mit ihm sprechen und wussten dann, dass es an privaten Themen liegt. Früher wäre so ein offener Umgang undenkbar gewesen. Menschen sind keine Nummern, sondern bleiben Menschen. Ich wünschte, die Bürokratie würde das auch so sehen (lacht).
Inwiefern?
Es gibt schon sehr viel bürokratischen Aufwand heutzutage. Nehmen Sie nur die elektronische Rechnung. Sie ist unnötig komplex, bietet uns aber keinen Mehrwert. Trotzdem muss sie unbedingt eingeführt werden. Solche Beispiele gibt es leider zuhauf. Das operative Geschäft an sich macht so viel Spaß. Gäbe es nicht diese Kontrollwut, dann würden viel mehr Menschen Unternehmen gründen. Und sie würden das mit einem breiten Grinsen im Gesicht machen.
Wenn Sie auf die letzten 40 Jahre schauen: Worauf sind Sie besonders stolz?
Auf sehr viele Dinge. Zum Beispiel auf unsere langjährigen Kundenbeziehungen. Mit ein paar von ihnen arbeiten wir schon seit unserer Gründung 1905 zusammen. Das Unternehmen Heurich ist auch ein gutes Beispiel. Es ist ebenfalls familiengeführt. Mein Opa kannte seinen Opa, mein Vater seinen Vater. Und heute arbeiten die Enkel zusammen. Ich bin auch stolz auf die schweren Zeiten, die wir gemeistert haben. In der Holzmann-Pleite steckten wir mittendrin. Damals dachte ich, das wars jetzt. Wir mussten viele Einschläge verkraften, aber am Ende haben wir die Welle der Insolvenzen dennoch überstanden. Daneben bin ich natürlich auf unsere Arbeit stolz, auf unsere Projekte. Zum Beispiel das GHotel in Würzburg oder generell auf unser Alleinstellungsmerkmal Deutsche Bahn. Und vor allem bin ich stolz darauf, dass wir nächstes Jahr schon 120 Jahre lang ein Teil der „Stromversorgung“ und somit ein Teil der Geschichte von Fulda sind.
Herr Scholz, vielen Dank für das Gespräch.
Ich wünsche allen eine besinnliche Weihnachtszeit und einen guten Start in ein spannendes und bestimmt erfolgreiches Jahr 2025.
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